Reisebericht Andalusien

 

Reisebericht aus Andalusien

Ausführlicher Reisebericht aus Andalusien (Teil 5)

Mittwoch/ Donnerstag. 15./16. Juli 2009
Eine letzte grössere Tour steht an. Geplant ist über die Sierra Nevada zu fahren und auf
der anderen Seite das höchst gelegene Dorf Spaniens mit seiner bekannten Eichelschinkenproduktion
zu besuchen.
Auf der A92 geht es in einer halbstündigen Fahrt nach Granada. Am Ende der
Stadtautobahn scheint mir der Mythos der Alhambra übermächtig zu werden. Also
abgebogen und zur grossen Luxusburg der Mauren gefahren. Ich parke auf Parkplatz 3.
Alles andere ist ausgebucht. Kaum ausgestiegen und auf den Marsch gemacht, werde ich
von 3 Zigeunerinnen angehalten. Eine drückt mir einen Rosmarinzweig in die Hand. Ich
verstehe naiver weise das Ganze als Willkommensgeschenk. Es hat aber einen anderen
Hintergrund. Sie wwill mir aus der Hand lesen. Ziemlich unartig drücke ich ihr den
Rosmarin wieder in die Hand, und mache mich auf den Weiterweg. Paga, paga, keifen die
3 Weiber hinter mir her. Das beeindruckt mich allerdings wenig und ich setze meinen Weg
zum Haupteingang fort, zusammen mit Strömen von Menschen. Geduldig platziere ich
mich in einer Wartekolonne in der prallen Sonne. Keine Preisangaben, nichts. Jeder will
sie sehen und dies wird ziemlich brutal ausgenutzt. Halb Granada will von diesem
Tourismusmagneten leben. Dabei entsinne ich mich, das Buch über die Alhambra bereits
zwei mal gelesen zu haben. Was könnte ich eigentlich noch neues sehen? Als nach 20
Minuten die Schlange immer länger ist und vorne niemand hineingelassen wird, Wähle ich
den Abgang durch die Mitte, respektive unter dem Absperrseil durch. Kommerz total. Auf
dem Rückweg beobachte ich, wie ein Parkwächter die Zigeunerinnen verscheucht. Sie
werden 100 Meter weiter ihr Handwerk wieder aufnehmen. Ich verlasse den berühmten
Ort.
Also auf zum höchsten Berg des spanischen Festlandes, dem Mulhacén, in die Sierra
Navada. 3482 m hoch gelegen ist er und das nur 32 km Luftlinie vom Meer entfernt. Auf
einer gut ausgebauten Strasse geht es aufwärts. Alle 500 m Höhenmeter steht ein
Hinweisschild. Die Strasse führt hinauf zum Wintersportort Sierra Nevada. Hier also haben
sie Ski laufen gelernt, die grossen Stars der spanischen Nationalmannschaft. Es gibt hier
viele Hotels und auch eine Jugendherberge. Auf 2400 m gelegen ist Sierra Nevada einiges
höher als Zermatt mit seinen 1600 Metern, allerdings bei weitem nicht so gross.
Die Strasse ist ab hier nicht mehr so breit. Überall wird an der Wasserversorgung gebaut.
Aber was ist das? Ein grosser Parkplatz mit einer Imbissbude beendet die Überfahrt.
Nein, ab hier geht es nur noch mit dem Bus weiter. Zwei Tafeln mit „Verbotene Durchfahrt“
signalisieren das Ende. Einige Autos fahren doch durch. Es sind Parkwächter und Arbeiter,
was ich eben nicht weiss. Spanisch, wie ich nun schon ein bisschen geworden bin, wage
auch ich mich weiter. Eine Barriere nach 300 Metern verhindert dann allerdings die
Weiterfahrt und der Parkwächter sagt mir höflich aber bestimmt, dass es für mich keine
Durchfahrt gebe. Auch der spanische Naturschutz beginnt also langsam zu greifen, recht
so. Die nahe Kaserne der Guardia Civil sowie die Höhenforschungsstation der Universität
Granada werden noch kurz begutachtet und dann geht es talwärts.
Das oberste Stück der Strasse wird neu angelegt. Die Verkehrsregelung hier funktioniert
echt spanisch. Es wird jeweils nur ein Auto durchgelassen. Wie das funktioniert? Der
Arbeiter drückt mir ein Holzstück in die Hand mit der Aufforderung „Gib es meinem
Kollegen auf der anderen Seite“. Sobald dieser mich kommen sieht, springt er auf, nimmt
mir das Holzstück ab, bedankt sich auch noch und lässt „sein“ Auto passieren. Alles klar?
Nach einer Stunde und einem Bier bin ich dann wieder unten in Granada und nehme die
Autovia Richtung Motril. Schon in Lanjarón fahre ich ab. Diese kleine Stadt ist bekannt für
ihr Mineralwasser und liegt auf der anderen Seite der Sierra Nevada. Hier esse ich etwas.
Es ist wunderbar und kostet mit einer halben Flasche Wein und einem Espresso ganze 8
Euro. Zur Auswahl standen 4 Primeros und 4 Secondos. Dass von hier angeblich 90%
des spanischen Mineralwassers herkommt, kann ich dann aber doch nicht glauben. Diese
Angaben sind aus den 70-er Jahren, aber da hat man auch noch eher Sangria etc.
getrunken.
Hier ist auch der Eingang ins schöne Alpujarra Tal. Besonders wegen der üppigen Flora
ein beliebtes Wandergebiet im Frühling und Herbst. Windräder begrüssen einem fast
unheimlich am Taleingang. Die Riesendinger stehen teilweise fast an der Strasse und
irritieren ganz schön.
Vorerst weiter nach Orjira. Hier beginnt die Bergstrass hinauf nach Treveléz. Dort werden
die Schweine in den Eichelwäldern gehalten. Der Schinken, welcher nur hier produziert
wird, soll allererster Güte sein, nussig im Geschmack, und in der Bergluft getrocknet. Man
muss ihn allerdings in den Läden kaufen im Restaurant erhalte ich ihn nicht. Zu teuer, der
Kommentar. Eigentlich schade. Eicheln fressende Schweine sehe ich keine, sie verziehen
sich bei dieser Hitze vermutlich in die Wälder.
Das Hotel in welchem ich ab steige ist absolut top, nur 1 Stern zwar, aber ein schönes
Zimmer mit Badezimmer für 25 Euro. Der Betreiber, Pepe Alvarez, leidet allerdings an der
spanischen Urkrankheit. Ist ziemlich faul der Kerl. Da auch er mir dann zu jedem Bierchen
1 Tapas serviert, bin ich dann schon satt und er muss keine lange Bestellung aufnehmen.
Aber auch hier, wie in ganz Spanien, das alte Lied. Man bräuchte 2 Restaurants, gebaut
werden dann 12, mit der tragischen Folge, dass eigentlich alle so gut wie leer sind. Wer
hat ihnen allen nur das Hohelied der reichen Touristen vorgespielt? Zwar ist dieses Hotel
mit 5 Partien gut gebucht, die jungen Spanier schleichen sich dann allerdings in einen
Mercado, kommen mit einem Sack Esswaren zurück und verzehren das ganze auf dem
Zimmer. Getrunken wird dann auch noch in einem anderen Lokal. Allerdings stolzieren sie
herum wie Millionäre. ----- Was für gute Gäste waren wir jeweils bei den Naturfreunden in
der Schweiz.
Alle träumen sie von den reichen Gästen die von der Costa del Sol hochfahren und das
grosse Geld ins Dorf bringen. Aber die „reichen“ Gäste fressen aus dem Plastiksack und
beziehen ihr gekühltes Cola beim Tourist-Infostand. Dabei gibt sich das Land Andalusien
soviel Mühe diesem traumhaften schönen Tal etwas Leben einzuhauchen. Vor allem sind
keine Bergbahnen hier, welche die Leute in die Höhe karren würden. Mag sein, dass dies
der Grund ist, dass nicht mehr Touristen hier sind. Auch gibt es nur 2 Wanderwege, und
die sind beide 6 – 8 Std. lang, ohne Verpflegungsmöglichkeiten unterwegs. Nicht
jedermanns Sache. Im Frühling und Herbst sicher machbar, im Sommer fast ein Ding der
Unmöglichkeit.
Die Einheimischen baden übrigens in der Treveléz, welche auch jetzt noch ziemlich
Wasser führt.
Am anderen Morgen mache ich mich ohne Z'Morge auf den Rückweg. Der Wirt ist zwar
schon auf, aber ein Kaffee oder so? Das hätte ihm eindeutig zu viele Mühe gemacht. Er
macht schliesslich erst um 9 Uhr auf. Was man unten an der Küste jetzt begriffen hat ist
hier oben eben noch nicht angekommen: Die Freundlichkeit zum Gast und der Wille zur
perfekten Dienstleistung. Es wird vielleicht noch kommen. Mañana ... Hoffen wir es!
Um vielleicht doch noch etwas Lesbares aufzutreiben, fahre ich noch einmal in die Altstadt
von Granada. Mit grossem Glück finde ich einen Parkplatz gegenüber eine Kaffeebar.
Endlich, das Sandwich und die 2 Milchkaffees schmecken herrlich, die Bedienung hier ist
sehr angenehm. Den zweiten Kaffee muss ich nicht einmal bezahlen.
Granada hat zwar eine schöne Altstadt, die heute zu einem grossen Teil autofrei ist. Die
Camioneure fugen die ganzen Pakete mit Sackrollis hinein. Bis 9 Uhr scheint auch ein
Lieferdienst möglich zu sein. Der Verkehr rings um die Altstadt ist allerdings massiv und
die Strassen werden fortwährend ausgebaut. Die Trams, welch früher durch die Stadt
fuhren, sind eliminiert worden. Der Spanier ist ein Auto- und Rollerfan, auch wenn der
Busbetrieb gut ausgebaut wurde. Fazit: Granada ist sicher einen Ausflug wert, dies gilt
allerdings eher für die Damenwelt. Denn zum „Lädele“ bietet sich diese Stadt ganz
bestimmt an, womöglich sollten jedoch Frühling und Herbst dazu genutzt werden. Es gibt
hier grosszügig angelegte Plätze mit Bäumen und Restaurants zum verweilen. Die Preise
sind bezahlbar, auch wenn es hier sicher etwas mehr kostet als auf dem Lande. Dies ist
allerdings weltweit so und auch verständlich. Falls du hier allerdings etwas lesen
möchtest, nimmst du es besser mit. Im Unterschied zur Küste gibt es hier so gut wie keine
deutschsprachige Literatur, obwohl es nur so von Touristen wimmelt. Verweilen tut man, so
scheint es, nicht lange in Granada. ....Tourismus eben im Jahre 2009 !
Alex will mich heute zum Fussballspielen mitnehmen. Er spielt jeden Donnerstag aktiv
in Antequera in einer gemischten ausländischen Mannschaft. Es ist mir zu heiss und ich
ziehe es vor, zum Türken zu gehen. Einen Dürüm soll es wieder einmal sein dazu zwei
Cola. Er schmeckt mir sehr gut. Der Wirt, der arme Kerl, hat sich dieses Restaurant im
Frühling gekauft. Er ist zugezogen von Alicante und hat dafür 150'000 Euro bezahlt, wie er
mir voller Stolz berichtet. Aber der Andalusier scheint kein Fan dieser Kost zu sein.
Jedenfalls bin ich wieder einmal der einzige Gast und Türken gibt es hier sehr wenige.
Auf dem Rückweg kaufe ich in einem Tante Emma-Laden (die gibt es hier noch in grosser
Zahl) 1 ½ Kilo Pfirsiche. Nach dem Duschen treffe ich Domingo und Manuelo in einer Bar,
das Rio hatte Wirtesonntag.
Wieder mal bin ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Um 10 Uhr ist aus der Nacht eine
eigenartige Blasmusik zu hören, welche unterstützt durch Trommelschläge in langsamem
Schritt aus einer Altstadtgasse auftaucht. Der Dirigent scheint sie im Takt und Schritt zu
bremsen. Immer mehr Leute mit grossen brennenden Kerzen in den Händen schliessen
sich dem eigenartigen Zug an. Dieser entfernt sich in eine andere Gasse und es wird bald
wieder still.

Also zurück in die Bar. Allerdings nicht für lange, denn nach einer halben Stunde ertönt
erneut wieder diese eigenartige Musik. Das muss ich sehen. Und dann taucht sie auf. Eine
riesige Maria-Statue, von 16 Männern getragen, biegt langsam um die Ecke. Sie ist hell
erleuchtet. Und wieder dieser bedächtige Gang, so alle 2 Sekunden ein Schritt. Es folgen
ihr, so typisch spanisch, der Pfarrer und die Honoratioren der Stadt und anschliessend das
gemeine Volk. Das ganze kommt auf dem Dorfplatz zu stehen. Einige Musiker nutzen die
kurze Pause um in der Bar ein Bier zu kippen.
Jetzt stimmt die Musik wieder ihre melancholische Musik an. Die Statue wird wieder
gebuckelt und alles verschwindet in der Altstadtgasse. Da muss ich dabei sein. Der Zug
bewegt sich Richtung alter Kirche. Dort angelangt wird die heilige Jungfrau mit grosser
Präzision durch den Haupteingang getragen und neben dem Altar abgestellt. Sie ist sicher
an die 4 ½ Meter hoch. Der Pfarrer spricht noch ein paar Worte, alle bekreuzigen sich.
Jetzt wollen alle möglichst schnell aus der Kirche. Teilweise wird richtig hinaus geeilt. Die
Feier ist vorbei. Man muss sie gesehen haben und ich war dabei.


Das Kläffen zweier Hunde weckt mich heute um 6 Uhr früh. Ich sitze auf dem Balkon um
meine Gedanken zu Papier zu bringen. Ich habe mich gestern eingehend mit dem Abstieg
des weltweit grössten Versicherungskonzerns der AIG befasst. Die Geschichte in Kürze:
Der Börsenwert dieses Unternehmens stieg von 1990 bis 1998 von 4,8 auf 120 Milliarden.
Wie gesagt der Börsenwert. Da kam einem Finanzgenie in den Sinn faule Kredite der
Banken gegen gute „Gebühren“ zu versichern. Der Ertrag stieg und stieg. Der Börsenwert
auch. Alle jubelten. Die Rating Rate ein stolzes AAA+. Zum ersten Mal versuchte man
Geschäfte mit Schulden zu machen, man verbriefte sie gegen Gebühren. Es wurden keine
fixen Personen- und Sachwerte wie Menschen, Autos, Schiffe, Flugzeuge und Fussballerbeine
versichert, sondern nicht bemessbare Schulden. Der Börsenwert stieg bis 2005 auf
240 Milliarden Dollar. Alle jubelten noch mehr. Keiner schien sich Gedanken zu machen
wie es möglich war, dass eine Firma in nur 12 Jahren ihren Börsenwert um das 48-fache
steigerte. Es gab laut „Experten“ nur eine Erklärung: Das sind eben Topmanager. Einfache
Angestellte mit einem Jahresgehalt von 100'000 Dollar erhielten Boni von 500'000 Dollar.
Andere Unternehmen sind auf diesen „lukrativen“ Markt aufgesprungen. Sie sind
inzwischen alle verschwunden, hinweg gerafft von der globalen „Finanzkrise“. Die grosse
AIG konnte nicht fallen gelassen werden. Es wäre alles zusammen gebrochen. Der
amerikanische Staat hat 258 Milliarden Steuergelder in das marode Unternehmen
gesteckt und ist damit mit 77% Haupteigner dieses Unternehmens geworden. Der aktuelle
Börsenwert liegt aktuell noch bei 1,3 Milliarden. Ende der Story !!!
Aber, was hat das alles mit Andalusien zu tun? Ich denke sehr viel. Hier, aber nicht nur
hier, wird mit wenig arbeiten und dem Geld anderer überlebt. Die EU macht es möglich.
Aber bleiben wir realistisch. Auch in der Schweiz wirbt man bei jungen Leuten doch jetzt
zu kaufen und in 5 Monaten zu zahlen. Interdiscount als Tochter der guten alten COOP
macht es möglich. Immer mehr wird Geld ausgegeben welches faktisch gar nicht
vorhanden ist. Hier in Andalusien scheint mir das Ganze noch tragischer zu sein, da die
Menschen wirklich ziemlich faul sind. Die Spirale dreht sich immer schneller.
Gut, wenn man sein Geld noch in Sachwerten angelegt hat, selbst wenn auch da im
Moment Verluste von 40% zu beklagen sind. Nie und nimmer werden diese reellen
Objekte jedoch nur noch einen 2000stel des Wertes haben. So gesehen bin ich heute
wieder froh, mein Haus in der Schweiz noch zu haben. Ein Restrisiko bleibt jedoch, wenn
die Staaten dieser Welt die ungeheuren Sozialkosten nicht mehr tragen können,
respektive nicht mehr tragen wollen. Bleibt zu hoffen, dass dann nicht alles wieder in
Schutt und Asche geschossen wird, um wieder neue Geschäfte zu machen.
Freitag 17.7. 2009
Der kläffende Hund und die krächzenden Hähne wecken mich auch heute Morgen. Wie
schon üblich schreibe ich an meinem Bericht und begebe mich um 8.15 Uhr in den
Frühstücksraum. Dann lese ich in der Kühle des frühen Tages. Ich trage mich mit dem
Gedanken, jetzt öfters den Spiegel zu kaufen. Wirklich ein toller, informativer und neutraler
Lesestoff.
Um 13 Uhr gehe ich zu den gewohnten Tapas, trinke ein paar Bier dazu und lausche
wieder den Einheimischen, ohne wirklich viel zu verstehen. Und dann ab in die Siesta.
Der Deckenventilator schafft etwas Kühle und surrt monoton vor sich hin.
Zum Abendessen wünsche ich mir eigentlich die guten spanischen Gemüsewürste.
Wieder einmal führt mein mangelndes Spanisch dazu, dass ich mit grässlichen
spanischen „Frankfurter“, unterlegt mit einer Tomatensauce, abgespeist werde. Die dazu
gereichten Bohnen schmecken allerdings hervorragend. Auf den nächsten Morgen
verabrede ich mich mit Domingo. 8 Uhr, nicht 8.02 Uhr, sage ich spöttisch zu ihm. Wir
wollen in Zagria seine Oliven und seine Häuser besichtigen.
Samstag, 18.7.2009
Ich bin nach dem Frühstück pünktlich um 8 Uhr vor der Bar. Und tatsächlich, Domingo
spaziert schon seit 20 Minuten in der Gegend herum. Angezogen wie immer: Blaue
Arbeitshose, geschlossene Sandalen und helles Hemd.
In der Kühle des Morgens fahren wir erst einmal nach Ventorres. Ich will mit ihm noch
einen Kaffee trinken. Er lehnt ab und steht einfach neben mir bis mich ausgetrunken habe.
Wir durchstreifen seine Olivenhaine, wobei er mir auch die Obstbäume dazwischen zeigt.
Der Ertrag von Pfirsichen, Feigen und Pflaumen scheint allerdings mangels Wasser
ziemlich dürftig auszufallen. Oliven die „Allesüberleber“ haben keine Mühe mit der
Trockenheit. Domingo ist ein kleiner Grundbesitzer, nichts von intensiver, maschineller
Bearbeitung. Das Ganze eher mühsam angelegt.
Domingo hat zeitweise viel Mühe die sandigen ausgetrockneten Unebenheiten zu
überwinden und kriecht dazwischen auf allen Vieren eine Kuppe hinauf. Aber er ist
sichtlich stolz auf sein Grundstück, welches jetzt ein Enkel bearbeitet. Allerdings sieht
alles nicht sehr ordentlich aus.
Die alte Quellfassung; „Du musst sie unbedingt noch sehen“. Hier haben die Olivenbauern
eine eigentliche Waschstube eingerichtet, wo die Netze nach der Ernte gewaschen
werden. Das Wasser fliesst tatsächlich auch jetzt in der trockenen Jahreszeit kühl aus der
Röhre. Es sei qualitativ sehr gutes Wasser, sagt Domingo. Eine Frau kommt vorbei und
füllt 2 Pet-Flaschen ab. Auch ein bescheidenes Plumpsklo ist vorhanden.
Wir fahren nach Zagia hinunter. Überall alte Leute, die am Schatten unter den Arkaden
sitzen. Junge siehst du keine. Ein Landwirt der mit seinem Gefährt durch den Ort tuckert
ist der einzige Mensch, den ich beim Arbeiten erwische. Die Meisten hier sind pensioniert,
die Jungen zu fast 100 Prozent arbeitslos. Eine Gaststätte gibt es nicht, dafür einen
grossen Stützpunkt der Guardia Civil. Eventuell ist er noch noch in Betrieb. Die Rollläden
sind unten, vielleicht döst noch irgend ein Beamter im Schatten dieser Kaserne.
Wir parken das Auto und gehen zu Fuss weiter. Domingo zeigt mir sein erstes Haus. Klein,
sehr klein ist das Häuschen. Ein paar Schritte weiter läutet er an einem anderen Haus.
Nach einer Weile öffnet eine junge Frau. Sie hat um 11Uhr noch geschlafen, auf einer
Matratze die sie am Boden des Wohnzimmers ausgelegt hatte. Diese wird schnell beiseite
geschafft. Überall herrscht eine grosse Unordnung. Im Vorraum des alten WC gibt es
bestimmt 2 Dutzend Kanarienvögel, im WC selbst einen zahmen Spatz. Domingo holt ihn
mit der Hand hinaus. Der Spühlkasten nicht mehr dicht, gibt ununterbrochen Wasser ab an
die Fosa. Er will mir trotzdem das Obergeschoss zeigen. Hier hat er alles renoviert und es
sieht richtig zeitgemäss aus. Ich muss alles fotografieren, auch das Gästezimmer, das mit
Gartenwerkzeugen und Kleidern völlig übersät ist.
Seine Häuser befinden sich alle unter einer Felswand, die mit Höhlen durchsetzt ist. Das
dritte Objekt ist auch bewohnt, macht aber schon von aussen einen jämmerlichen
Eindruck. Ein junger Bursche kommt daher. Es ist sein Enkel, arbeitslos auch er. Sie
umarmen sich.
Später frage ich Domingo, wie viel Miete man hier für ein kleines Haus bezahle. Er sieht
mich verständnislos an und sagt mir, dass er hier gar keine Miete erhalte. Sie haben ja alle
keine Arbeit. Ein Handy haben sie trotzdem und unten im Dorf ist der Ford Fiesta seines
Enkels parkiert, den er mir mit grossem Stolz zeigt. Er selbst fährt kein Auto. „Wie ist es
dann vor 30 Jahren gewesen?“ frage ich ihn. Die Antwort kommt umgehend: „Viel
schlimmer als heute“. Heute haben die Alten wenigstens eine Rente zwischen 430 und
520 Euro. Wir machen uns auf den Rückweg. Er will mir noch eine Finca zeigen. Langsam
begreiffe ich, dass auch er erhebliche Geldprobleme hat. Die Finca stellt sich als alter
Bahnhof von Huétor Tájar heraus. Hier wohnen einige seiner Freunde, hier kann er ohne
Geld ein Glas Wein aus der Tetrapackung trinken. Ein riesiger Bahnsteig ist mit einem
hohen Maschenzaun abgesperrt, das Gebäude inzwischen bewohnt von armen Leuten.
Und wie das alles aussieht. Auch wenn ich Afrika nicht kenne, viel primitiver kann es da
auch nicht zugehen. In der Küche herrscht ein heilloses Durcheinander. Speisereste
stehen auf dem Herd. Was nicht Platz im Kühlschrank hat, wird irgendwo auf den Boden
gestellt. In der Stube fällt der Putz von den Wänden und man sieht auf den ersten Blick,
dass kein einziger Einrichtungsgegenstand gekauft wurde. Im Schlafzimmer liegen
sämtliche Kleider auf dem Bett.
Auf der gegenüber liegenden Seite wurde zusätzlich ein Häuschen aufgestellt. Auch hier
haust eine Gitano-Familie. Zwischen den “Wohnungen“ gibt es einen Wasserhahn, die
Waschgelegenheit für die ganze Ueberbauung. Die Frau von gegenüber wiegt bestimmt
130 Kilo. Keck macht sie sich ein bisschen frisch am Wasserhahn und strahlt uns alle an.
Auch ein halbes Dutzend Hunde kann noch ernährt werden. Sie sind am Boden
angekettet. Beim neu errichteten Häuschen steht sogar eine Waschmaschine. Auch sie
stammt natürlich aus dem Müll und steht ziemlich schief auf ihrem Betonsockel. Trotzdem
scheinen alle glücklich und lebensfroh zu sein.
Der Gitano will mir seinen Garten zeigen. Und man glaubt es kaum, hier sieht alles recht
ordentlich aus. Domingo pflückt für mich ein paar Zuckerbirnen. Alles was angebaut
wurde, gedeiht auch prächtig. Weiter hinten zeigt er uns seine beiden Maultiere. Sie äsen
am Bahnbord und scheinen es zu geniessen. Auch die Wasserversorgung für den Garten
funktioniert. Schnell werden noch zwei Riesentomaten gepflückt. Er will sie für uns
aufschneiden, dazu ein Glas Weisswein, der Liter zu 85 Cents. Ich biete allen eine
Zigarette an, was sie auch dankbar an nehmen. Es wird erzählt und gelacht und als sein
Handy keine Gutschrift mehr im Speicher hat, grinst er mich an „No dinero“ und nimmt ein
zweites aus dem Kasten. Nein, unglücklich sind sie nicht diese beiden Gitano-Brüder. Und
Sorgen machen sie sich auch keine. Sie müssen der Renfe (die spanische Eisenbahn)
auch keine Miete bezahlen. Im alten, halb abgebrochenen Kamin des Wartesaales
summen Bienen. 15 bis 18 Kilo Honig ernte er hier. Dass ich ihm das nicht abnehme,
muss ja nicht gesagt werden. Man will uns noch irgendwas kochen, was wir aber dankend
ablehnen. Die Gitanos setzen sich unter die Reben, trinken irgend was und sind glücklich.
Als wir später abfahren mache ich Domingo Vorwürfe, dass wir mit leeren Händen diesen
Besuch gemacht haben. Er will es nicht wahr haben.
Der Rest ist Alltag an diesem Samstag. Tapas , Siesta, lesen und ab ins El Rio. Domingo
borgt sich bei dem zahnlosen Spanier noch 20 Euros. Warum fragt er mich nicht?
Er ist nicht zu beneiden. Hoffentlich lebt er noch ein paar Jährchen. Armut in Andalusien
und an der Küste das grosskotzige Gebaren der Schönen und Reichen. Das ewige
Gebimmel der Kirchen erinnert mich daran, dass ihr Ende schlussendlich auch nicht
anders sein wird als jenes der Gitanos. Vielleicht aber glauben sie tatsächlich mit den
hinterzogenen Steuergeldern glücklicher zu sein als die Zigeuner. Sicher werden sie noch
ein paar Jährchen länger leben. Man wird sie noch durch ein paar Spezialkliniken
schleusen. Aber am Ende werden auch sie zu Asche verfallen, zu Dünger für das Land
Andalusien.

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