Reisebericht Andalusien

 

Reisebericht aus Andalusien

Ausführlicher Reisebericht aus Andalusien (Teil 3)

Am Abend
Ich esse heute Abend einen Teller Käse und dazu einen grossen Salatteller. Wie immer bin
ich der Einzige, der sich etwas zu essen kauft. Dabei ist die spanische Küche von Ana
wirklich empfehlenswert. Aber auch noch etwas kosten sollte es dann doch nicht.
Juàn, das ist der Gitano der mal in Frankreich gearbeitet hat, hält sich eine jüngere
Freundin. Er fährt tatsächlich einen Opel Tigra, scheint auch immer Geld zu haben und ist
mit Sicherheit die Respektsperson in der Gitano-Familie. So nennen sie sich mit grossem
Stolz. Seine Patenkinder, und das scheinen hier fast alle Zigeuner zu sein, haben sehr
grosses Vertrauen in ihn, ich übrigens auch! Heute aber gönnt er sich einen Abend
alleine. „Ich will einfach meine Ruhe haben“ sagt er zu mir.
Rafa, auch er ein Patenkind, will mir 2 Freunde vorstellen. Sie wollen für mich
Zigeunerlieder singen und Tango tanzen. Das machen sie dann auch so ausgiebig, dass
der Wirt sie um 01.30 Uhr zu mehr Ruhe mahnen muss. Beim Tanz gerät Rafa so in
Ekstase, dass er sich die Kleider vom Leibe reisst. Am Schluss zeigt er mir seinen prall
gefüllten Kofferraum. Er will morgen auf den Markt nach Malaga fahren. Wir werden
sehen. Spät am Abend bittet mich Rafa einem Kollegen 20 – 30 € zugeben. Er habe zwei
Kinder und sei auch arbeitslos. Ich lehne ab, denn ich gebe kein Geld. Dafür lade ich
seine Familie für Morgen zu einem Essen ein. Wir sind verabredet um 14 Uhr vor dem El
Rio. Alle scheinen sich wirklich zu freuen. Vielleicht ist dies töricht, aber ich kann nicht
anders handeln.
Geplatzt. Die Zigeuner sind nicht zur Verabredung gekommen. Ich habe den völlig
verschmutzten Volvo extra noch auf Vordermann gebracht. Keine Abmeldung, nichts. Ihr
Stolz hat ihnen diese Verabredung verboten. Ich allerdings habe tief in die Seele der
Gitanos gesehen. Jedenfalls erzählt mir Rafa am Abend voller Stolz und einem Lächeln:
„Sie waren meine Gäste“. Alles klar?
Den Tag verbringe ich wieder mit lesen. Ich beschäftige mich mit der spanischen
Geschichte bis ins Mittelalter. Da prasseln Daten auf mich ein, dass es mir fast übel wird.
Bald am Ende angelangt stelle ich fest, dass dieses Land wie auch der Rest Europas
eigentlich nur eines kannte: Machtspiele und Kriege. Und dabei hat die katholische Kirche
immer mächtig mit gemischt. So gesehen war die französische Revolution und Napoléon
ein grosser Segen, wurden doch aus den zahllosen Machtansprüchen unzähliger
Fürstenhäusern, Grafschaften und Königshäusern wenigstens im Grundsatz klare
Verhältnisse geschaffen.
Miguel hat ja bekanntlich am Donnerstag geschlossen. Deshalb muss ich in eine andere
Bar ausweichen. Hier liegt ein Prospekt auf:
15 kg Kartoffeln € 3.25
2 kg Tomaten € 1.00
usw. usw.
Mehr können die Andalusier für ihre Nahrungsmittel auch gar nicht bezahlen. Was sicher
etwas bringen würde, wäre mehr zu arbeiten, aber was denn, so frage ich mich.
Dass Arbeiten bei diesen Verhältnissen allerdings ziemlich viel Mühe bereitet merkt jeder,
der sich bei diesen Temperaturen auf die Strasse wagt, und sei es auch nur um etwas zu
spazieren. Eine andere Möglichkeit wäre, in der Nacht zu arbeiten, wie etwa die
Müllabfuhr. Aber die Nacht ist die Zeit des Amüsierens. Sehr arbeitsam ist es halt wirklich
nicht, dieses andalusische Volk. Und so wird es auch bleiben. Der morgige Tag wird es
schon richten. Oder eben „mañana“ wie der Spanier sagt.
Auch Alex sieht den Verkauf seines Hauses inzwischen als letzte Lösung an. „Se Vende“
steht seit gestern mit grossen Lettern an seinem Balkongeländer. Auch der Zusatz
pequeño precio (kleiner Preis) fehlt nicht. Ob er in diesen Zeiten allerdings €150'000.-
erzielen kann, ist zu bezweifeln.
Wir haben gestern je 4 Bierchen zusammen getrunken. Dazu wurden uns je 4 Tapas
gereicht. Sie hatten allerdings das doppelte Mass wie bei Miguel. 8 Fläschchen Bier und 8
Tapas. Macht 12 Euros erklärte uns der Kellner stolz. Die Gartenwirtschaft war gerammelt
voll. Wenn wundert das? Verdient hier wirklich noch jemand Geld? Wer ist da noch
überrascht, wenn Löhne zwischen 4 und 5.50 Euros bezahlt werden.
Von wegen: „Der Euro hat hier alles verteuert“. Der Markt bestimmt brutal das Angebot
und dies wird sich auch nie ändern. Dazu müsste sich erst einmal der Mensch selbst
ändern. Ob er dazu je in der Lage sein wird? Kann er seine Gier nach immer mehr
überhaupt je in den Griff bekommen? Vor diesem Hintergrund bin ich wirklich gespannt
wie sich die Geschichte entwickelt. Dies alles gilt aber auch für die Küstenregionen.
Ein Novum, auch der Benzinpreis hat sich vorübergehend wieder um 2 Cents gesenkt und
das mitten in der Hauptreisezeit. Vielleicht wird ganz einfach weniger gefahren. Man
siehst eigentlich kaum mehr jemanden, der an der Tankstelle mehr als 20 Liter tankt.
Aktuell kostet Bleifrei 95 € 1.04.

Freitag 10.7. 1. Teil
Manuelo, Domingo und ich sitzen an der Bar, trinken Tinto Verano und essen Tapas. Mir
fällt ein grosser Typ auf, der ständig Cuba Libre schlürft, sich überall anbiedert und
trotzdem keinen Gesprächspartner findet. Meine Kumpanen verabschieden sich in die
Siesta. Unaufgefordert nimmt ein ziemlich besoffener Kerl neben mir Platz. Er stammelt
und jammert irgend etwas vor sich hin. Irgend wann merkt er, dass ich das Spanische
nicht beherrsche. Er bietet mir eine Zigarette an und jammert weiter vor sich hin. Er ist so
besoffen, dass er sein Bier kaum noch runter würgen kann. Ich verabschiede mich in die
Siesta.


Die Fortsetzung am Abend
Ich komme um 19.30 Uhr zum Nachtessen. Der Cuba Libre-Typ sitzt immer noch an der
Bar. Ich esse am Tischchen einen Salatteller mit gebratenem Speck, nehme dann mein
Bier und gehe zu den Alten nach draussen.
Nach einer Weile kommt auch Rafa nach draussen. Zusammen mit einem seiner Freunde
nimmt nebenan er Platz. Ein dritter drängt sich zu ihnen. Drängt ist das richtige Wort.
Er will sich mit Rafa und seinem Freund unterhalten. Er sieht ziemlich schwul aus. Dem
Kollegen wird es zu viel, er entschwindet in die Bar. Rafa wird weiter bedrängt. Da erhebt
er sich, nimmt mein noch nicht leeres Bierglas und spendiert mir ein Neues. Daraufhin
zieht auch er sich in die Bar zurück, der Typ hinterher. Wenn das nur gut ausgeht. Jetzt
setzt sich Domingo, inzwischen schon fast mein Freund, zu mir. Wir versuchen uns zu
unterhalten. Seine Aussprache ist wegen der fehlenden Zähne allerdings nicht so klar. Er
gibt mir den Tipp mit 65 Jahren unbedingt zusätzlich zur privaten auch die spanische
Sozialkrankenkasse zu beantragen. Er zeigt mir seine tarjetas.
Und dann passiert es. Plötzlich hören wir einen heillosen Krach aus der Bar. Der Cuba
Libre-Typ von heute Mittag und der Schwule sind aneinander geraten. Sie schlagen wild
aufeinander ein. Der Cuba Libre-Typ wird von Miguel aus der Bar gestossen. Weil er sich
nun sicher fühlt, verlässt auch der süsse Kerl die Bar. Da knallt ihm der andere einen
Schlag auf die Brust, dass es nur so kracht. Ti muerte (Ich töte dich) schreit er dabei. Da
wird er von ein paar Pensionierten in Richtung seines Hauses gestossen.
Etwa 10 Minuten später: Das spanische Finale. Sirenen kündigen nichts gutes an. Zwei
Fahrzeuge der Guardia Civil und ein Fahrzeug der Policía Local rauschen mit Blaulicht
heran. Je zwei Mann Besatzung in den Autos. Der älteste, wahrscheinlich der Dienstchef,
und sein junger Kollege der Guardia Civil gehen in die Bar um kurz darauf den Schwulen
herauszuführen. Er wird vom Dienstältesten zur Seite genommen und befragt. Zeugen
werden vernommen. Inzwischen stehen die andern fünf Polizisten auf der Strasse bei
ihren Fahrzeugen. Aber was ist jetzt? Antonio, der geistig Behinderte steht auf, schwingt
seine Fäuste und beschimpft die Polizei aufs Schlimmste. Er regt sich fürchterlich auf,
dass man gerade mit drei Fahrzeugen vorbei kommt. Bestimmt eine viertel Stunde geht
das so weiter, ohne dass die Polizei ein einziges Wort sagt. Auch sein Vater kann ihn nicht
beruhigen. Er schwingt die Fäuste weiter. Schon denke ich, dass man ihn demnächst
abführt, aber nichts geschieht. Er ist eben geistig behindert und geniesst mit seinem
Behindertenausweis Narrenfreiheit.
Die Sache zieht sich dahin, Zeit für mich die Polizisten genauer anzusehen. Das Urteil fällt
ziemlich schnell. Die Leute der Policía Local kannst du auch ohne Probleme in eine
Gärtnerklamotte stecken. Jene der Guardia Civil haben ein anderes Format. Sie sind meist
jung, gut ausgebildet, sehr sportlich und verfügen über eine natürliche Autorität. Dass sie
ausserdem sehr vaterländisch sind, versuchen sie inzwischen mit einer spanischen
Plakette an ihren Autos zu unterstreichen. Dass ich schon bald mit ihnen Kontakt haben
werde, weiss ich zu dieser Zeit freilich noch nicht. Der ganze Auftritt ist jedenfalls sehr
professionell und besonnen.
Später setzen sich Irma und Ana zu mir, sie wollen das Abendessen einnehmen. Ich
versuche den Unterschied zwischen diesen beiden Polizeikorps besser heraus zu finden.
Ein Gast am Nebentisch gibt eine glasklare Erklärung ab. Hast du ein Unfall mit
Blechschaden so rufst du 112 (Policía Local). Gibt es Personenschaden rufst du die 062
(Guardia Civil). Alles klar, eigentlich wie in der Schweiz. Die beiden Nummern werden
schon mal im Handy gespeichert. Das Vertrauen liegt bei mir allerdings eher auf der Seite
der Guardia Civil.
11.7.2009
Tienen periódicos o revistas en alemán? Haben sie Zeitungen oder Zeitschriften in
deutscher Sprache? Solches in Lojà zu erhalten ist nicht möglich. Was bin ich schon
herum geirrt. Deutsche Sprache = unbedeutende Sprache. Dies wird einem hier richtig
bewusst. Selbst in Buchhandlungen, die sich hier Librerias nennen, findet man teilweise
ein Angebot von nur 6-8 Büchern. Die Andalusier – ein lese faules Volk? Ich habe
jedenfalls bis heute auch an schattigen Orten noch jemanden lesen sehen. Hier
kommuniziert man mündlich, was braucht es dazu Bücher. Dafür laufen die TV-Apparate
genau gleich lange wie die Gaststätten offen haben. Aber auch das interessiert die
wenigsten. Auch die Handys sind fast ununterbrochen im Einsatz. Aber extra nach
Granada zu fahren um Lesematerial einzukaufen ist mir dann doch zu aufwendig.
Heute am Wochenende ist Dorffest am Bahnhof San Francisco. Nicht verpassen meint
Manuelo, der in dieser Gegend wohnt. Ihr, will heissen Alex und ich, sollt unbedingt
kommen. Alex ist um 19 Uhr verabredet mit Engländern. Er will sein Motorrad verkaufen.
Um 20 Uhr in die Bar, sehe ich die drei dort sitzen und Bier um Bier in sich hinein kippen.
Der Engländer faselt irgendwas von auswandern nach den USA. Alex verzieht skeptisch
die Augenbrauen. Sie sind wohl allesamt schon nicht mehr klar im Kopf.
Wenigstens scheint Alex das Motorrad verkauft zu haben. Ich esse einen Käseteller und
bestelle dazu Senf. Alle finden das komisch, am Schluss auch ich, denn der Senf ist richtig
grässlich. Tu es tonto findet Alex. Ich mache mich auf den Weg zum Bahnhof. Ein Fest?
Eine Girliband trällert ohne Stimmen irgend welche Songs ins Mikrofon, schrecklich. Ich
bestelle mir einen Gin Tonic und nehme Platz. Ältere Spanier setzen sich zu mir, wobei
eine Dame so unglücklich über den Fuss des Tische stolpert, dass sich mein Getränk
verabschiedet. Sie schämt sich, es ist ihr gar nicht recht, und sie will mir das Getränk
ersetzen. Ich lehne dankend ab, denn ich habe bei diesen Gesangskünsten sowieso nicht
im Sinne lange zu bleiben.
Zurück in der Bar, Alex sitzt immer noch draussen und kippt so lange Bier in sich bis sich
seine Augen verdrehen und sein Kopf nach hinten kippt. Der erste Versuch ihn nach Haus
zu bringen scheitert kläglich. „Ich werde immer hier in Andalusien bleiben“ versichert er
immer wieder. Der Alkohol tut seine Wirkung. Der arme Kerl, er tut mir Leid.
Ich versuche ihn zu überreden nach Hause zu gehen und zu schlafen. Nach ein paar
Anläufen steht er dann wirklich auf. Mit einem Viva España verabschiedet er sich.
Einige Zeit später sehe ich auf der anderen Strassenseite ein Engländer-Ehepaar vorbei
gehen. Aber warum ist der Hund von Alex dabei? Ich werde stutzig, bezahle und mache
mich auf den Heimweg. Alex liegt am Boden, die Füsse noch auf dem Trottoir... und
schläft. Der Hund sitzt auf dem Trottoir und begreift natürlich nicht, was hier eigentlich los
ist. Bis ins Bett hat er es nicht mehr geschafft. Ich wecke ihn. Aufstehen kann er allerdings
noch alleine. Good Night Alex. Wir gehen schlafen. Traurig, traurig. Alex scheint mächtige
Probleme zu haben. Diese Krise scheint auf alle zurück zu fallen, denn früher hat Alex mit
Immobilien gutes Geld gemacht. Früher!

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